Plötzlich Prinzessin? Töchter in der (unerwarteten) Nachfolge

Familienunternehmen – so unterschiedlich sie auch sein mögen – vereint in jeder neuen Generation eine existenzielle Frage: Wer übernimmt die Nachfolge?

Jahrhundertelang gab es darauf eine selbstverständliche Antwort: Der älteste Sohn führte das fort, was Vater und Großvater aufgebaut hatten. Und wenn er ausfiel, war es der Zweitälteste, der Jüngste oder ein Schwiegersohn.

Die Töchter sind im Kommen

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann ein langsamer Wandel, der uns heute immer häufiger eine neue Option eröffnet: Die Töchter sind im Kommen.

Manche können sich dabei ein Leben lang vorbereiten, weil die Familie keine Söhne und keine Vorurteile hat. Andere dagegen werden durch Zufall und mitunter sehr plötzlich zur “Kronprinzessin”. Um ein paar Beispiele aus der Praxis zu nennen: Ein Sohn erwies sich als spielsüchtig, ein anderer überwarf sich nach seinem Coming-Out mit seinem Vater, ein weiterer heiratete nach Kanada und in einer Familie mit 5 Kindern teilten alle vier Söhne den Eltern nacheinander mit, dass sie andere Pläne hatten – nur die Tochter blieb übrig und übernahm.

Von der Entwicklung überrascht – und nun?

Wenn sich beinahe über Nacht die Nachfolgepläne ändern, eröffnet das große Chancen für weibliche Führung. Die “Generation Töchter in der Nachfolge” hat es schon in die Schlagzeilen geschafft – aber wie gelingt es diesen Frauen, ihre zuvor gefassten Lebenspläne neu zu ordnen und Aufgaben zu übernehmen, auf die sie sich nicht eingehend vorbereiten konnten?

Viele Herausforderungen auf dem Weg zum Erfolg

Die Nachfolgerinnen haben es mit zahlreichen Herausforderungen zu tun; um hier nur eine kleine Auswahl zu nennen:

  • die Übernahme großer finanzieller und personeller Verantwortung
  • der Abschied von persönlichen Freiheiten
  • die Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • der Aufbau fachlicher, rechtlicher und kaufmännischer Kompetenzen
  • der Umgang mit Gremien (Beirat, Aufsichtsrat) und Mitarbeitervertretungen
  • der Aufbau eigener schneller und sicherer Entscheidungskompetenz
  • die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Kommunikations- und Konfliktbearbeitungskompetenz
  • die Trennung von fachlichen und emotionalen Faktoren und damit verbunden die Fähigkeit, Kritik auszuhalten und deren fachlichen Kern aufzunehmen
  • die Entwicklung eines guten Umgangs mit eigenen und fremden Fehlern
  • die Benennung kritischer Punkte: zeitnah, klar und wertschätzend
  • und manchmal auch der Abschied vom eigenen Selbstbild.

Wir unterstützen Töchter, Familien und Unternehmen bei dieser anspruchsvollen Aufgabe aus unterschiedlichen Richtungen: Wir begleiten sie parallel bei den kaufmännischen, unternehmensstrategischen sowie bei den emotionalen Entscheidungen, in der Vorbereitung, bei der Übergabe und bei Bedarf auch in der Zeit danach.

Damit Sie konkrete Einblicke in die Praxis bekommen, ist dies der Auftakt zu einer mehrteiligen Reihe: Erfolgsrezept Töchter in der Nachfolge.

Unternehmensnachfolge: Eine Entscheidung fürs Leben

Für die einen ist es eine Qual, für die anderen eine lang ersehnte Entlastung, und so mancher sieht darin auch einen emotionalen Akt, wie er nur einmal im Leben vollbracht wird: die Übergabe des eigenen Unternehmens an die nächste Generation.

Ein Unternehmen in die richtigen Hände abzugeben, stellt besonders hohe Anforderungen an den derzeitigen Eigentümer. Ist dieser der Gründer, gibt er sein Lebenswerk ab. Ist das Unternehmen womöglich seit einem Jahrhundert oder länger Familieneigentum, gibt er das Lebenswerk mehrerer Generationen ab … das ist eine deutlich größere Aufgabe als nur die richtige ökonomische Entscheidung zu treffen: Abgabe an ein Familienmitglied oder an einen Externen? An eine oder an mehrere Personen? An eine Frau oder einen Mann? An einen Mitarbeitenden oder an einen Fremden?

Laut KfW-Förderbank wollen in den nächsten eineinhalb Jahren rund 227.000 heutige Inhaber von KMU ihr Unternehmen übergeben – aber nur etwas mehr als ein Drittel ist darauf nach eigenen Angaben bestens vorbereitet. Und etwa 36.000 Unternehmen haben noch gar keine Vorbereitungen getroffen. Was hindert sie wohl daran?

Wenige Nachfolger und viele Gefühle

Es gibt weniger Interessenten als Unternehmen, das scheint ein wichtiger Faktor zu sein. Ein ebenso wichtiger ist: Die Entscheidung für “den Richtigen” ist nicht nur ökonomisch, sondern auch emotional besetzt. Der oder die Neue soll das Unternehmen so weiterführen, wie es im Sinne des derzeitigen Inhabers ist. Dieses Bedürfnis ist vergleichbar mit dem eines Elternteils, welches sein Kind in gute Hände abgeben muss. Und das sollte man nicht belächeln, denn ein Unternehmen ist genauso lebendig wie ein Kind – ein organisch gewachsener Organismus, der nur dann gut funktioniert, wenn alle einzelnen Organe bestens zusammenspielen. Wer weiß das besser als derjenige, der alles mit Hingabe über Jahre gepflegt und trainiert hat, “Muskel für Muskel” oder Arbeitsbereich für Arbeitsbereich?

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft brauchen eine Brücke

Die heutigen Zeiten unterscheiden sich sehr von der Gründungszeit eines altgewachsenen Unternehmens. Und die Zukunft ist so unwägbar geworden in unserer sich sehr schnell wandelnden Welt, dass sie kaum noch planbar erscheint. Diesen Brückenschlag zu vollziehen und mit einer guten Mischung aus bewährten Ideen und neuen Sichtweisen das Unternehmen in eine “unvorstellbare” Zukunft zu führen, braucht viel Talent, Einsatz und eine stabile Gefühlslage. Letztere beginnt in der Gegenwart. Und braucht mitunter Unterstützung.

Damit der Wechsel gelingt

Ein erfolgreicher Übergang von Altinhaber zu neuer Führung braucht Aufmerksamkeit: für die Zahlen – es wird ja neu bilanziert – wie auch für die Gefühle, die unter der Decke mitschwingen. Denn Gefühle wirken verdeckt weiter und bekommen auf Dauer “Zinsen”. Hier ein paar Fragen, die Sie sich stellen können, um Ungesagtem auf die Spur zu kommen:

  • Gibt es gute Gründe, heute genau dieses Kind für die Nachfolge zu wählen? Oder ist das eine Idee, die bereits bei der Geburt des Kindes festgelegt wurde, ohne je hinterfragt zu werden?
  • Würde sich ein anderes Kind oder ein Enkelkind besser eignen? Wen würden Sie (nicht) einstellen, wenn er oder sie nicht zufällig mit Ihnen verwandt wäre?
  • Muss es ein einziger Unternehmensführer sein? Könnte es nicht auch ein Team von zwei oder gar drei Leitenden geben?
  • Wenn die GF extern besetzt wäre: Wer wäre enttäuscht? Wer wäre erleichtert?
  • Welchem neuen Projekt wird sich der abgebende Inhaber widmen, um den Abschluss wirklich vollziehen zu können?
  • Wer wird die “Seele des Unternehmens” (oft die Ehefrau) für die Mitarbeitenden ersetzen?
  • Wie bindet der neue Inhaber/die neue Geschäftsleitung die Alt-Mitarbeitenden ein, die seit Jahrzehnten den Aufbau des Betriebes mitgetragen haben? Wie erfolgt hier der Aufbau einer internen zwischenmenschlichen Bindung?

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die zukunftsbestimmende Bedeutung in der Nachfolgeregelung haben können.

Wir unterstützen Unternehmen und Menschen dabei, den Übergang an die nächste Generation ökonomisch wie menschlich gut zu vollziehen, um der Zukunft stabil zu begegnen und ihre Herausforderungen flexibel zu meistern.

Was bindet Mitarbeitende an Unternehmen?

Mitarbeitende, die

  • ihre Aufgaben in Übereinstimmung mit ihrem Selbstbild empfinden,
  • die eigenen Normen und Werte in der Unternehmensphilosophie wiederfinden,
  • erkennen können, dass die eigene und die Unternehmensarbeit einen echten Mehrwert für andere hat sowie
  • sich wohl fühlen im Kreise ihrer Kolleginnen und Kollegen und zugehörig zu ihrem Team,

haben nach Angaben des Handbook for Meaningful Work (Yeoman, Bailey, Madden, Thompson, 2019) mit hoher Wahrscheinlichkeit das Empfinden, eine sinnvolle Beschäftigung auszuführen.

Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass

  • sie engagiert arbeiten,
  • dem Unternehmen lange die Treue halten,
  • seltener krank werden,
  • sich nach außen positiv über das Unternehmen äußern und
  • ihr Unternehmen bei Stellenausschreibungen auch weiterempfehlen.

Wie sieht das in Ihrem Unternehmen aus?

Worauf beruht Unternehmenserfolg?

Neben der wichtigen Portion Glück, die man sich vom Schicksal schenken lassen muss, sind es vor allem zwei beeinflussbare Komponenten, die ein Unternehmen, gleich welcher Größe, erfolgreich sein lässt, aktuell und auf Dauer: die Kultur und die Struktur der Organisation.

Struktur: Prozesse laufen erfolgreich ab, wenn die Rahmenbedingungen passen

Das beginnt mit einer guten Unternehmensstrategie. Ist sie wirklich gut, erübrigen sich viele Probleme. So braucht es beispielsweise keine ausgeklügelte Digitalisierungsstrategie, die für teures Geld eingekauft werden muss. Die Digitalisierung muss sich an die Geschäftsstrategie anpassen und ihr nutzen, nicht umgekehrt. Daher lohnt es sich, immer wieder die eigene Strategie in Augenschein zu nehmen.

  • Was machen wir alltäglich, um unsere Geschäftsstrategie umzusetzen?
  • Ist sie überhaupt allen bekannt: den Mitarbeitenden und den Kunden, den Zulieferern und den gesellschaftlichen Akteuren?
  • Wie vermitteln wir sie? Sieht man sie uns an? Leben wir sie? Oder gehen wir davon aus, dass alle sich selbst informieren sollten?
  • Wie oft haben wir unsere Strategie in den letzten Jahren verändert? Wollen wir konstante Ziele ansteuern oder leben wir von Veränderung? Lassen wir uns von den Außenumständen bewegen oder gestalten wir selbst die Richtung?
  • Woran erkennen wir, dass unsere Geschäftsstrategie für unser Unternehmen die richtige ist? Haben wir geeignete Messinstrumente dafür?

Kultur: Menschen machen Unternehmen erfolgreich

Erfolg steht und fällt mit den Menschen, die ihn einleiten sollen. Und Menschen sind keine planbaren Parameter, sie sind … ja, genau: menschlich. Sie haben Stärken und Schwächen, sie sind manchmal mutlos und manchmal kopflos verliebt, manchmal in Trauer und manchmal schwanger, manchmal richtig wütend und manchmal ganz scheu, sie fühlen sich mitunter orientierungslos oder abgehängt und mitunter voller Tatendrang, sie sind im Widerstand oder werden krank vor lauter Überbeanspruchung oder Unterforderung. Jeder Mensch ist anders, und jeder Zeitpunkt auch – wie soll man damit ein erfolgreiches Unternehmen führen?

Menschen brauchen ein geeignetes Umfeld: eines, das sie anerkennt, ihre Leistungen würdigt, ihnen Eigenständigkeit zugesteht und sie teilhaben lässt am Wissen, am Erfolg, am Wachstum. Und auch eines, das sie herausfordert, anspornt, sie zu Neugier und Experimentierfreude anregt und ihnen Klarheit über das, was geschieht, zumutet. Und ein Umfeld, das ihnen vertraut. Menschen brauchen Lebendigkeit und Ruhe im Wechsel. Dann können diese Menschen Unternehmen auch erstaunlich erfolgreich machen.

Familienunternehmen: Streit ist ein Bilanzfaktor

“Alles ist Wechselwirkung”, so hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Kurzem auf der 55. Münchner Sicherheitskonferenz den großen deutschen Forscher Alexander von Humboldt zitiert. Und diesem systemischen Blick können wir uns nur anschließen. Ganz besonders gut kann man das in Familienunternehmen beobachten. Dort wechseln sich familiäre Beziehungen und wirtschaftliches Handeln in ihrer Wirkung ab. Sie werden zu einer Gesamt-Gemengelage, und leider entwickelt sich daraus öfter Mal ein handfester Streit.

Streit ist ein emotional unterlegter Faktor: “Wenn du mich nicht respektierst, dann respektiere ich dich auch nicht!” Da bleiben sachliche Überlegungen naturgemäß auf der Strecke. Und in familiären Beziehungen spielen Liebe, Anerkennung, Misstrauen oder gar Hass eine sehr bedeutende Rolle – es geht schließlich um die Menschen, an die man ein Leben lang gebunden bleibt.

Streit – ein Bilanzfaktor?

Dass Streit in Geschäftsentscheidungen kein guter Berater ist, ist schon klar. Aber ein Bilanzfaktor? Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Schließlich kommt Streit in den besten Familien vor …

Es ist keineswegs übertrieben. Banken bewerten bei ihrer Kreditwürdigkeitsbeurteilung den Streit als einen wichtigen Faktor, besonders bei der Frage der Nachfolge, die eine aktuelle Bewertung von Bilanzpositionen erlaubt. Denn Streit kann die Handlungsfähigkeit von Unternehmen reduzieren, er kann sie blockieren und letztendlich auch ruinieren. Und im Gegensatz zu anderen potenziell wirtschaftlich ruinösen Ereignissen wie etwa Stürmen oder Feuerbrünste kann man sich dagegen nicht versichern.

Oder doch?

Wir meinen: Ja. Man kann sich damit beschäftigen und den Streit in einem gemeinsamen Prozess aller Beteiligten besänftigen oder gar ganz auflösen. Das ist die beste Versicherung gegen streitbedingten Ruin.

Streit ist der größte Wertvernichter

Fragt man Experten aus dem Bankenwesen wie etwa Rainer Virnich, Mitglied des Vorstands der Sparkasse KölnBonn, zum Thema Streit in Familienunternehmen, erhält man eine unerwartete Antwort: “Streit ist der größte Wertvernichter.”

Ein Beispiel dazu aus unserer Praxis: Ein weltweit operierendes und prinzipiell florierendes Familienunternehmen besteht aus mehreren Familienstämmen, die sich so weit auseinandergelebt hatten, dass die Gesellschafter sich nicht mehr auf einvernehmliche Beschlüsse einigen konnten. Und damit die Geschäftsführung blockierten. Durch eine behutsame Prozessbegleitung, durch Aussprachen und sogar manchen Versöhnungen konnte die Handlungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Das Unternehmen kann heute wieder ohne Unterstützung agieren.

Was kann ein Familienunternehmen also tun, wenn es in wirtschaftlich gefährliche familiäre Auseinandersetzungen verstrickt ist?

Streit ist kein Schicksal

Besonders in traditionsreichen Unternehmen, die seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehen, erscheint Streit schicksalsgegeben. Schließlich waren vielleicht schon die Gründerbrüder “nicht grün” miteinander, und dieses Misstrauen wurde dann an die nachfolgenden Familien weitergegeben. Mitunter scheint ein Missverhältnis “ererbt”. Aber das muss nicht so bleiben. Es gibt Möglichkeiten, diesem Familienschicksal zu entkommen.

Entflechtung von Gefühlen und Geld

Das klingt logisch, ist nicht gerade einfach – aber es ist möglich. Mithilfe einer schrittweisen Entwicklung von der heutigen, vielleicht sehr vertrackten Lage zu einem befreiten Umgang mit alten Familienfehden kann der Fokus wechseln: von bestimmenden Gefühlen auf wirtschaftliche Fragestellungen. Das entlastet die Familienmitglieder und das Unternehmenskonto.

Denn: Streit ist Geldverlust! Familienfrieden ist ein Wachstumsfaktor. Und fühlt sich außerdem viel besser an.