Unternehmensnachfolge: Eine Entscheidung fürs Leben

Für die einen ist es eine Qual, für die anderen eine lang ersehnte Entlastung, und so mancher sieht darin auch einen emotionalen Akt, wie er nur einmal im Leben vollbracht wird: die Übergabe des eigenen Unternehmens an die nächste Generation.

Ein Unternehmen in die richtigen Hände abzugeben, stellt besonders hohe Anforderungen an den derzeitigen Eigentümer. Ist dieser der Gründer, gibt er sein Lebenswerk ab. Ist das Unternehmen womöglich seit einem Jahrhundert oder länger Familieneigentum, gibt er das Lebenswerk mehrerer Generationen ab … das ist eine deutlich größere Aufgabe als nur die richtige ökonomische Entscheidung zu treffen: Abgabe an ein Familienmitglied oder an einen Externen? An eine oder an mehrere Personen? An eine Frau oder einen Mann? An einen Mitarbeitenden oder an einen Fremden?

Laut KfW-Förderbank wollen in den nächsten eineinhalb Jahren rund 227.000 heutige Inhaber von KMU ihr Unternehmen übergeben – aber nur etwas mehr als ein Drittel ist darauf nach eigenen Angaben bestens vorbereitet. Und etwa 36.000 Unternehmen haben noch gar keine Vorbereitungen getroffen. Was hindert sie wohl daran?

Wenige Nachfolger und viele Gefühle

Es gibt weniger Interessenten als Unternehmen, das scheint ein wichtiger Faktor zu sein. Ein ebenso wichtiger ist: Die Entscheidung für “den Richtigen” ist nicht nur ökonomisch, sondern auch emotional besetzt. Der oder die Neue soll das Unternehmen so weiterführen, wie es im Sinne des derzeitigen Inhabers ist. Dieses Bedürfnis ist vergleichbar mit dem eines Elternteils, welches sein Kind in gute Hände abgeben muss. Und das sollte man nicht belächeln, denn ein Unternehmen ist genauso lebendig wie ein Kind – ein organisch gewachsener Organismus, der nur dann gut funktioniert, wenn alle einzelnen Organe bestens zusammenspielen. Wer weiß das besser als derjenige, der alles mit Hingabe über Jahre gepflegt und trainiert hat, “Muskel für Muskel” oder Arbeitsbereich für Arbeitsbereich?

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft brauchen eine Brücke

Die heutigen Zeiten unterscheiden sich sehr von der Gründungszeit eines altgewachsenen Unternehmens. Und die Zukunft ist so unwägbar geworden in unserer sich sehr schnell wandelnden Welt, dass sie kaum noch planbar erscheint. Diesen Brückenschlag zu vollziehen und mit einer guten Mischung aus bewährten Ideen und neuen Sichtweisen das Unternehmen in eine “unvorstellbare” Zukunft zu führen, braucht viel Talent, Einsatz und eine stabile Gefühlslage. Letztere beginnt in der Gegenwart. Und braucht mitunter Unterstützung.

Damit der Wechsel gelingt

Ein erfolgreicher Übergang von Altinhaber zu neuer Führung braucht Aufmerksamkeit: für die Zahlen – es wird ja neu bilanziert – wie auch für die Gefühle, die unter der Decke mitschwingen. Denn Gefühle wirken verdeckt weiter und bekommen auf Dauer “Zinsen”. Hier ein paar Fragen, die Sie sich stellen können, um Ungesagtem auf die Spur zu kommen:

  • Gibt es gute Gründe, heute genau dieses Kind für die Nachfolge zu wählen? Oder ist das eine Idee, die bereits bei der Geburt des Kindes festgelegt wurde, ohne je hinterfragt zu werden?
  • Würde sich ein anderes Kind oder ein Enkelkind besser eignen? Wen würden Sie (nicht) einstellen, wenn er oder sie nicht zufällig mit Ihnen verwandt wäre?
  • Muss es ein einziger Unternehmensführer sein? Könnte es nicht auch ein Team von zwei oder gar drei Leitenden geben?
  • Wenn die GF extern besetzt wäre: Wer wäre enttäuscht? Wer wäre erleichtert?
  • Welchem neuen Projekt wird sich der abgebende Inhaber widmen, um den Abschluss wirklich vollziehen zu können?
  • Wer wird die “Seele des Unternehmens” (oft die Ehefrau) für die Mitarbeitenden ersetzen?
  • Wie bindet der neue Inhaber/die neue Geschäftsleitung die Alt-Mitarbeitenden ein, die seit Jahrzehnten den Aufbau des Betriebes mitgetragen haben? Wie erfolgt hier der Aufbau einer internen zwischenmenschlichen Bindung?

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Fragen, die zukunftsbestimmende Bedeutung in der Nachfolgeregelung haben können.

Wir unterstützen Unternehmen und Menschen dabei, den Übergang an die nächste Generation ökonomisch wie menschlich gut zu vollziehen, um der Zukunft stabil zu begegnen und ihre Herausforderungen flexibel zu meistern.

Ökonomisierung macht sprachlos

Ökonomisierung, die Suche nach Gewinnmaximierung, der Effizienzgedanke: All das bringt Unternehmen Gewinne, nimmt den Mitarbeitern aber ihr soziales Umfeld und damit ihre Stimme innerhalb des Unternehmens.

Beispiel Krankenhaus:

Vor der Ökonomisierung der Medizin eine Selbstverständlichkeit:

  • Arzt und Patient sprechen miteinander.
  • Arzt und Pflege sprechen miteinander.
  • Arzt und Pflegekräfte kennen ihre Patienten mit Namen und können auch die Angehörigen zuordnen.

Dann kam die Verweildauerreduzierung, die Apparatemedizin, der High-Tech-Anspruch. Und nun wird am Gespräch gespart!

Aus Effizienzgesichtspunkten hat all dies seine Berechtigung, aber trägt das Früchte in einem Markt,

  • der keiner ist,
  • der keine Kunden kennt, sondern Patienten,
  • der keine freien Preise kennt, sondern eine Preisbindung,
  • der sein Angebot nicht nach der Nachfrage steuern kann, aber Konkurrenz kennt?

Dieser regulierte Markt lebt von den Menschen, die dort arbeiten.

Er hat ein Produkt, das keines ist: Empathie.

Die Nachfrage kennt dort andere Kriterien als den Blick auf den Preis. 

Patienten beklagen nicht den Preis, sondern die Hetze, den Zeitmangel, das fehlende Gespräch am Krankenbett – und natürlich auch den kalten Kaffee :). Sie fühlen sich alleine gelassen und hilflos in ihrer Angst um ihre Gesundheit an einem ihnen fremden Ort.

Zum Gesundwerden brauchen Patienten deshalb nicht einfach nur Apparate, sondern auch Mitgefühl, Empathie und Zuwendung. Das können nur Menschen leisten. Und diesen Menschen müssen wir einen Anreiz geben, damit sie bereit sind, in einem so anspruchsvollen Markt zu arbeiten. Menschen wollen sprechen, wollen sich einbringen, wollen Teil des Unternehmens sein.

Insofern müssen wir auf dem Gesundheits- und Sozialmarkt auf anderen Wegen nachhaltige Gewinne erzielen.

Die Ökonomisierung ist dabei ein wichtiges Standbein, aber nicht das einzige. Ein ebenso wichtiges ist z.B. das Gespräch. Unternehmen in diesem Markt müssen ihre Produkte neu definieren und auch weiche Erfolgskriterien finanziell bewerten.

Bleiben Sie ökonomisch, aber werden Sie nicht sprachlos, sondern machen Sie Ihre Ethik zu einem Erfolgsfaktor, wir liefern Ihnen dazu die entsprechenden Kennzahlen!

Geld ist ein austauschbarer Faktor

Ein Interview des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht mit Dana Haralambie, Akademiegründerin und Dozentin

V & R: Das gemeinsam mit Robert Kebbekus verfasste Buch “Personalmanagement in Familienunternehmen. Fachkräfte finden, halten und fördern” zeigt praxiserprobte Wege zu einem menschengerechten Personalmanagement, das sich bis in die Organisationsentwicklung erstreckt.
Warum haben Sie als Coach ein Buch über Personalmanagement mitverfasst?

Weil ich der Überzeugung bin, dass gutes Coaching, wie es auch im Buch beschrieben wird, elementar wichtig ist, um Mitarbeiter, Führungskräfte und auch die oberste Führungsebene immer wieder neu zu befähigen, die eigenen Ressourcen so gut wie möglich auszuschöpfen und sich nachhaltig zu entwickeln – zum eigenen Besten und auch zum Besten des Unternehmens.

Was verstehen Sie unter »menschengerechtem Personalmanagement«?

Genau das, was das Wort sagt: Es wird den Menschen gerecht, so wie sie sind. Wir arbeiten heute noch sehr oft nach Grundsätzen, die sich nicht am Menschen und seinen Fähigkeiten orientieren – obwohl wir immer mehr Informationen aus der Wissenschaft haben, die uns eindeutig zeigen: Menschen sind nicht vergleichbar mit Maschinen oder Instrumenten. Menschen sind nicht optimierbar, sie müssen sich entwickeln, um besser mit den Anforderungen des Arbeitslebens zurecht zu kommen. Für eine erfolgreiche Entwicklung brauchen wir Zeit, das Interesse der Beteiligten und Ermutigung durch andere. Dann aber fördert diese Entwicklung das Beste zutage, was Menschen zu bieten haben: immer ausgereiftere individuelle Fähigkeiten und einen zunehmenden Anstieg der Eigenverantwortung, verknüpft mit einem immer größeren Erfahrungsschatz und Freude an der Arbeit. Das schafft ein immenses Potenzial an Möglichkeiten, auf das ein Unternehmen zurückgreifen kann. Und das Beste: Die menschengerecht geförderten Mitarbeiter lassen freiwillig und mit Leidenschaft das Unternehmen an ihren Fähigkeiten, Ideen und ihrem Wissen teilhaben. Das bringt große Vorteile – für beide.

Was bedeutet das ganz praktisch, also z. B. für Familienunternehmen?

Es bedeutet einen riesigen Vorteil: Sie können auch bei begrenztem Mitteleinsatz mit den großen Konzernen mithalten, was die Rekrutierung neuer Mitarbeitender und die Pflege des aktuellen Personalbestandes angeht. Ein menschengerechtes Personalmanagement ist nicht teuer, es ist intelligent und sinnvoll – und sehr erfolgreich. Um ein praxisbezogenes Beispiel zu nennen: Mitarbeitende, die ein vernünftiges Gehalt haben, muss man nicht mit immer mehr Gehalt »ködern«, denn so »erzieht« man Mitarbeitende, die nur nach einem einzigen, alles überlagernden Kriterium suchen: der Höhe des Gehaltes.  Wer sich nur deshalb für eine Firma entscheidet, verlässt sie auch schnell wieder, wenn die Konkurrenz mehr bietet. Geld ist ein austauschbarer Faktor. Sinnvoller ist es, nicht austauschbare Faktoren zu fördern: den Stolz auf die eigene Leistung in der Firma; die Würde, die die Position im Unternehmen verleiht; das Interesse an neuen Entwicklungen, an denen man teilhat usw. Diese Faktoren unterstreicht und entwickelt ein menschengerechtes Personalmanagement.

Welches ist für Sie der elementare Faktor im Personalmanagement, bei dem man ansetzen muss?

Personalmanagement ist immer auch Veränderungsmanagement: Entweder müssen neu hinzukommende Mitarbeitende in das Unternehmen und seine Art, zu arbeiten und zu denken, integriert werden. Oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen auf neue Herausforderungen eingestellt werden, es sind vielleicht Krisen zu überstehen oder es werden neue Lösungen gesucht, neue Produkte entwickelt oder das Unternehmen geht an neue Märkte. Immer bewegt sich etwas fort von altbewährtem und hin zu unbekanntem neuen Terrain. Die Veränderung ist das beständige Element des Personalmanagements. Eine große Herausforderung, die dadurch noch größer wird, dass sehr unterschiedliche Menschen in einem Unternehmen arbeiten, aber – im besten Fall! – alle an einem Ziel: dass das Unternehmen gedeiht. Um diese Aufgabe gut meistern zu können, ist es sinnvoll, als Unternehmen genau zu wissen, was man will, und dieses Wissen dann auch klar an alle zu kommunizieren, die an der Umsetzung mitwirken sollen. Da ist es sehr vorteilhaft, wenn man »die richtige Sprache« spricht und alle mit ins Boot holen kann. Es ist wichtig, die Zusammengehörigkeit von Personal und Unternehmen nachhaltig zu fördern und Menschen in ihre Eigenverantwortung zurückzuführen, damit sie ein Eigeninteresse daran haben, sich für das Unternehmen einzusetzen, statt dauernd daran erinnert werden zu müssen. Das bedeutet im Klartext: statt immer wiederkehrende Motivationsveranstaltungen und Incentives besser die Förderung der Mitarbeiter-Entwicklung im Blick zu haben. Denn jeder hat ein Eigeninteresse an guter Arbeitsleistung, auf die er stolz sein kann; an einem guten Arbeitsplatz, an dem er sich wohlfühlt; und an guten Arbeitsverhältnissen mit Kollegen und Vorgesetzten, mit denen er einen großen Teil seines Lebens verbringt.

Gelingt all dies, kann es auch zu vorteilhaften »Mitnahmeeffekten« kommen: Eine gute Personalentwicklung verändert unweigerlich auch die Organisationsentwicklung zum Guten – sozusagen als Nebeneffekt.

Was raten Sie einem Familienunternehmen, das sich auf diesen Weg machen will?

Ich würde ihm empfehlen, sich auf seinen eigenen Weg zu begeben, statt den Weg anderer zu beschreiten. Um diesen ganz individuellen Weg zu finden, haben wir einen Basistest für Unternehmen entwickelt, der es durch eine ganze Sammlung von Coachingmethoden jedem Unternehmen ermöglicht, selbst – sozusagen durch »internes Coaching« – zu prüfen: Wo stehen wir gerade? Wollen wir da sein? Wenn ja: Wie geht es weiter? Wenn nein: Was wollen wir ändern – und wie können wir das tun? Ganz einfach, ganz praxisbezogen und sofort einsetzbar. So wird auch dem Unternehmen selbst wieder die Eigenverantwortung über die eigene Entwicklung wiedergegeben, jenseits der Abhängigkeit von »Dauerberatung«.

Worauf bauen Sie dabei?

Jeder Mensch hat Freude an seinen eigenen Ideen, und jeder sehnt sich danach, eine Bedeutung in der Gesellschaft zu haben. Wir wollen alle anerkannt werden – diese urmenschlichen Komponenten kann man auch auf Unternehmen übertragen: Eine Arbeit, bei der wir aktiv mitwirken können, interessiert uns mehr als eine Arbeit, die wir »aufgedrückt« bekommen. Mein Ziel ist es, durch menschengerechte Methoden die Freude der Mitarbeitenden an ihrer Arbeit wiederzuerwecken, das Interesse am gemeinsamen Erfolg – also des Einzelnen und des Unternehmens – zu fördern und so den Weg zu freiwilliger Kooperation zu ebnen. Das fördert die Innovationsbereitschaft und -fähigkeit, die Integrations- und die Lernbereitschaft und auch die Bereitschaft, sein Wissen an die nachfolgenden Mitarbeitenden weiterzugeben.

Frau Haralambie, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.