Familienunternehmen: Streit ist ein Bilanzfaktor

“Alles ist Wechselwirkung”, so hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Kurzem auf der 55. Münchner Sicherheitskonferenz den großen deutschen Forscher Alexander von Humboldt zitiert. Und diesem systemischen Blick können wir uns nur anschließen. Ganz besonders gut kann man das in Familienunternehmen beobachten. Dort wechseln sich familiäre Beziehungen und wirtschaftliches Handeln in ihrer Wirkung ab. Sie werden zu einer Gesamt-Gemengelage, und leider entwickelt sich daraus öfter Mal ein handfester Streit.

Streit ist ein emotional unterlegter Faktor: “Wenn du mich nicht respektierst, dann respektiere ich dich auch nicht!” Da bleiben sachliche Überlegungen naturgemäß auf der Strecke. Und in familiären Beziehungen spielen Liebe, Anerkennung, Misstrauen oder gar Hass eine sehr bedeutende Rolle – es geht schließlich um die Menschen, an die man ein Leben lang gebunden bleibt.

Streit – ein Bilanzfaktor?

Dass Streit in Geschäftsentscheidungen kein guter Berater ist, ist schon klar. Aber ein Bilanzfaktor? Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Schließlich kommt Streit in den besten Familien vor …

Es ist keineswegs übertrieben. Banken bewerten bei ihrer Kreditwürdigkeitsbeurteilung den Streit als einen wichtigen Faktor, besonders bei der Frage der Nachfolge, die eine aktuelle Bewertung von Bilanzpositionen erlaubt. Denn Streit kann die Handlungsfähigkeit von Unternehmen reduzieren, er kann sie blockieren und letztendlich auch ruinieren. Und im Gegensatz zu anderen potenziell wirtschaftlich ruinösen Ereignissen wie etwa Stürmen oder Feuerbrünste kann man sich dagegen nicht versichern.

Oder doch?

Wir meinen: Ja. Man kann sich damit beschäftigen und den Streit in einem gemeinsamen Prozess aller Beteiligten besänftigen oder gar ganz auflösen. Das ist die beste Versicherung gegen streitbedingten Ruin.

Streit ist der größte Wertvernichter

Fragt man Experten aus dem Bankenwesen wie etwa Rainer Virnich, Mitglied des Vorstands der Sparkasse KölnBonn, zum Thema Streit in Familienunternehmen, erhält man eine unerwartete Antwort: “Streit ist der größte Wertvernichter.”

Ein Beispiel dazu aus unserer Praxis: Ein weltweit operierendes und prinzipiell florierendes Familienunternehmen besteht aus mehreren Familienstämmen, die sich so weit auseinandergelebt hatten, dass die Gesellschafter sich nicht mehr auf einvernehmliche Beschlüsse einigen konnten. Und damit die Geschäftsführung blockierten. Durch eine behutsame Prozessbegleitung, durch Aussprachen und sogar manchen Versöhnungen konnte die Handlungsfähigkeit wiederhergestellt werden. Das Unternehmen kann heute wieder ohne Unterstützung agieren.

Was kann ein Familienunternehmen also tun, wenn es in wirtschaftlich gefährliche familiäre Auseinandersetzungen verstrickt ist?

Streit ist kein Schicksal

Besonders in traditionsreichen Unternehmen, die seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehen, erscheint Streit schicksalsgegeben. Schließlich waren vielleicht schon die Gründerbrüder “nicht grün” miteinander, und dieses Misstrauen wurde dann an die nachfolgenden Familien weitergegeben. Mitunter scheint ein Missverhältnis “ererbt”. Aber das muss nicht so bleiben. Es gibt Möglichkeiten, diesem Familienschicksal zu entkommen.

Entflechtung von Gefühlen und Geld

Das klingt logisch, ist nicht gerade einfach – aber es ist möglich. Mithilfe einer schrittweisen Entwicklung von der heutigen, vielleicht sehr vertrackten Lage zu einem befreiten Umgang mit alten Familienfehden kann der Fokus wechseln: von bestimmenden Gefühlen auf wirtschaftliche Fragestellungen. Das entlastet die Familienmitglieder und das Unternehmenskonto.

Denn: Streit ist Geldverlust! Familienfrieden ist ein Wachstumsfaktor. Und fühlt sich außerdem viel besser an.